Der Apothekergarten

Der historische Apothekergarten, in Form einer Spirale angelegt, schickt den Besucher auf eine Zeitreise durch die Geschichte der Pflanzenheilkunde. Anknüpfungspunkt an die Geologie sind Pflanzen der Steinkohlezeit und ihre Nachfahren: Gingko, Schachtelhalm, Farne und ihre heutige medizinische Bedeutung werden am äußeren Rand der Spirale erklärt. Auf dem Weg in die inneren Windungen befassen sich Themenbeete mit dem Fortgang der Nutzung der Arzneipflanzen durch die Menschen. Von den Kleischriften mit Rezepturen aus Mesur in Mesopotamien, dem im Alten Ägypten gefundenen Papyrus Ebers über die Heilkunde des Hippokrates, des Dioskurides, der Hildegard von Bingen, die Zeit der Kräuterbücher, die Isolierung des Morphins durch den Apotheker Sertürner bis hin zu modernen Screening-Versuchen mit möglichen arzneiliche Ressourcen aus dem Pflanzenreiche werden insgesamt 21 historische Stationen erläutert. Auch die moderne Pflanzenheilkunde kommt nicht zu kurz. Traubensilberkerzenextrakte bei Wechseljahresbeschwerden oder der Einsatz von Artischockenextrakten zur Senkung des Cholesterinspiegels finden ebenso Erwähnung wie die Nutzung des Johanniskrautes bei depressiven Verstimmungen. Das einzigartige Konzept des Gartens ist bereits überregional bekannt geworden. Die Infotafeln im Apothekergarten tragen auch niederländische Texte. Ergänzend zum Apothekergarten ist auch eine Duft- und Tastgalerie angelegt worden, die in Blindenschrift beschrieben wird.
Fachlich begleitet wurde der Bau des Apothekergartens vom Leiter des Institutes für Arzneipflanzenforschung und Phytotherapie in Havixbeck, Dr. rer. Nat. Alexander Schenk.

Nachfolgend wird das Konzept und der Aufbau des Apothekergartens im einzelnen beschrieben:

Arzneipflanzengarten in Weseke
(im Gelände des Heimatvereins)

Thema des Gartens:

Europäische Pflanzenheilkunde
– von den Ursprüngen bis zur modernen Phytotherapie

Idee:

Anknüpfend an den erdgeschichtlichen Garten in unmittelbarer Nähe soll ein Arzneipflanzengarten entstehen, der die Geschichte der Pflanzenheilkunde Europas anhand von wichtigen historischen Stationen darstellt. Die einzelnen Zeitstationen werden an dem spiralförmigen Weg (Ammonitenform) durch das ca. 600 m² große Gelände auf farbig bebilderten, wetterfesten Informationstafeln beschrieben. Auf den zugehörigen Beeten werden Arzneipflanzen gezeigt, die im Kontext mit der jeweiligen Zeitstation stehen.

Ziele:

  • Der Garten soll als Lehr- und Schaugarten die Entwicklung des heute hohen Stellenwertes der Pflanzenheilkunde in Europa aufzeigen.
  • Die in attraktiver Form präsentierten Zeitstationen sollen einerseits den Bezug zu den gezeigten lebenden Pflanzen, andererseits eine Verknüpfung zu leichtverständlichen aber wissenschaftlich exakten Informationen über die moderne Pflanzenheilkunde herstellen.
  • Im Zusammenhang mit dem grenzübergreifenden Projekt AGRICULTURA versteht es sich von selbst, daß alle Informationstafeln und die geplante Broschüre in niederländischer und deutscher Sprache abgefaßt werden.
  • Der Bezug zum landwirtschaftlichen Grundtenor des AGRICULTURA-Projektes wird einerseits über die Einbettung des Gartens in den heimathistorischen Rahmen des Geländes sowie andererseits durch die Anlehnung der Gartengestaltung an regionaltypische Bauerngärten erreicht (Buchsbaumeinfassungen, historischer Brunnen, Bildstock etc.)
  • Die Zeitstationen im Garten beziehen sich u.a. auf wichtige Eckdaten sowohl der deutschen als auch der niederländischen Geschichte.
  • Um einen dauerhaft genutzten (Führungen, Vorträge) Lehr- und Schaugarten für die grenzübergreifende Region zu erhalten werden niederländische und deutsche Apothekerverbände (Apothekerkammer Westf.-Lippe,KNMP bzw. wissenschaftliche Institutionen (Hortus botanicus/Leiden, Univ. Münster) in das Konzept des Gartens eingebunden.
  • Der europäische Charakter des Projektes wird durch einen geplanten Heilpflanzenpfad vom Arzneipflanzengarten in Weseke zu einem weiteren Attraktionspunkt des AGRICULTURA-Projektes in den Niederlanden unterstrichen. Der Heilpflanzenpfad ist als grenzüberschreitender Wanderweg mit zweisprachigen Informationen zu Arzneipflanzen der Region geplant.

Flyer Apothekergarten 796 KB

Das handliche Faltblatt mit Informationen für Vor- und Nachbereitung eines Besuches beim Heimatverein Weseke kann hier als PDF abgerufen werden.

Gartenroute Münsterland
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Auszüge aus der vom Heimatverein herausgegebenen Broschüre über den Apothekergarten.

Zeitstationen, Informationstafeln, Arzneipflanzen

Felder:

  • Evolution der Pflanzen
    Kurzer Überblick über die Entwicklungsgeschichte der Pflanzen (Zeitstrahl auf der Infotafel) Erdgeschichtlich alte Arzneipflanzen, die heute von Bedeutung sind: Ginkgo, Ackerschachtelhalm, Bärlapp, Ephedra etc.
  • Ende 3. Jahrtausend vor Chr.
    Tontafeln aus Nippur – Mesopotanien – als älteste pharmakologische Abhandlung – zeigen gebräuchliche Drogen und Verabreichungsformen eines sumerischen Arztes in Keilschrift. Die Infotafel zeigt die Replik einer Tontafel aus Nippur. Vor – und frühkulturelle Aspekte der Arzneipflanzenanwendung werden dargestellt. Gezeigt werden Arzneipflanzen aus dem kleinasiatischen Raum die noch heute von Bedeutung sind.
  • ca 2000 vor Chr.
    Verwendung von Heilpflanzen in der indischen Ayurveda-Medizin. Auf der Tafel wird auf die Ursprünge der europäischen Kultur im Zusammenhang mit der ersten Völkerwanderung eingegangen. Zusätzlich wird die Bedeutung von Ayurveda-Therapien im heutigen Europa besprochen. In der Ayurveda – Medizin verwendete Arzneipflanzen werden gezeigt und beschrieben.
  • ca. 1600 vor Chr.
    Entstehung des nach seinem Entdecker bekannten `Papyrus E-Persien Ägypten. Es gilt als das erste Buch über die Heilkunde. Die Tafel zeigt eine Replik des `Papyrus Ebers`, ein kurzes Textstück wird übersetzt, auf die Bedeutung der ägyptischen Hochkultur für Europa und die Heilkunde des alten Ägypten wird eingegangen. Arzneipflanzen di im `Papyrus Ebers`beschrieben werden und die fester Bestandteil unseres Arzneischatzes sind werden gezeigt: Salbei, Weihrauch, Senna etc.
  • um 400 vor Chr.
    Der Grieche Hippocrates, dessen ärztlichen Eid auch die heutigen Mediziner Schwören, beschreibt mehrere hundert Heilpflanzen. Das antike Griechenland und seine Philosophie als „Wiege Europas“ werden vorgestellt. Wichtige Arzneipflanzen im antiken Griechenland: Wie hat Hippocrates sie verwendet, welche Indikationsgebiete haben sie heute?
  • um 350 vor Chr.
    Aristoteles, Schüler des großen Plato, unterteilt die Welt in vier Elemente: Feuer – Erde – Wasser – Luft. Seine Lehre wirkt fort bis in die Kräuterbücher der Renassance. Die „Vier – Elemente – Lehre“ und ihre Bedeutung für die Geschichte der europäischen Medizin werden auf der Tafel erläutert. Typische Beispiele für Pflanzen, die den verschiedenen Elementen zugeordnet wurden, werden gezeigt. Im Gegensatz dazu wird ihre heutige rationale Verwendung vorgestellt.
  • um 300 vor Chr.
    Theopratos von Ephesos (372 – 287 v. Chr.) gilt als „Begründer der Phytotherapie“ dank seiner Bücher „Untersuchungen über Pflanzen – De causis plantarium“ und „Die Herkunft der Pflanzen – De historia plantarum“. Spuren der antiken Pflanzenheilkunde in der heutigen Phytotherapie werden verfolgt. Arzneipflanzen aus den o.g. Büchern des Theoprastos und Ephesos werden vorgestellt.
  • 1. Jh. nach Chr.
    Gajus Plinius secundus, der Ältere, stellt in seinem Werk „Naturalis historia“ die therapeutischen Eigenschaften unzähliger Pflanzen heraus. Dioskurides, weitgereister römischer Militärarzt unter Kaiser Nero, betreibt Pflanzenstudien und schreibt `De materia medica`, ein Buch über die Heilmittel seiner Zeit. Dioskurides und Plinius haben das Studium der Heilweisen vieler damals bekannter Völker als erste systematisch betrieben – auch heute werden neue Heilpflanzen und Therapieformen aus aller Welt für die moderne Phytotherapie entdeckt und nutzbar gemacht. Neue und alte, verschollene und wieder entdeckte Arzneipflanzen werden vorgestellt.
  • 2. Jh. nach Chr.
    Galen – neben Hoppokrates – der bedeutenste Arzt des Altertums. Seine Werke werden als „Bibel der Medizin“ bezeichnet und beeinflussen die gesamte Medizin der Neuzeit. Die Tafel geht auf Leben und Wirken des Galenus sowie auf den Begriff der Galenik, also auf die Lehre von den Arzneiformen ein. Wichtige Arzneiformen (Tees, Lösungen, Pflaster, Salben, Tabletten, etc.) und Arzneipflanzen, die dazu verarbeitet werden, werden vorgestellt.
  • um 800 nach Chr.
    Die arabische Medizin bestimmt das Theraphiehandeln. Mesue, der Jüngere, verfaßt ein Traktat über einfache und zusammengesetzte Arzneien, das bis ins 17. Jahrhundert hinein Medizin und Pharmazie beeinflußt hat. Klöster, die in Mitteleuropa mehr und mehr an Bedeutung gewinnen, sind fast die einzigen Orte, an denen Kranke Arzneien bekommen Können. In den Klostergärten finden sich viele der auch heute noch bedeutenden Heilpflanzen. Der Wahlafried Strabo verfaßt seinen `Hortulus`, eine Sammlung wichtiger Heilpflanzen. Die Tafel zeigt Originalrepliken aus arabischen Büchern und geht auf die überragende Bedeutung der frühen arabischen Forscher für die Wissenschaften in Europa ein. Pflanzen, die Wahlfried Strabo aus dem Mittelmeerraum nach Mitteleuropa gebracht hat und deren Verwendung in der modernen Pflanzenheilkunde werden gezeigt und beschrieben.
  • um 1100
    Die Äbtissin Hildegard vo Bingen beschreibt in ihrem Buch `Physica` fast 200 Heilpflanzen und deren Wirkung. Die `Physica` ist das umfassendste Zeugnis der Heilkunde im Mittelalter. Die Pflanzenheilkunde der mittelalterlichen Klöster wird mit Repliken aus den Schriften der Hildegard von Bingen erläutert. Viele der damals verwendeten Pflanzen werden in einem Gartenbereich gezeigt, der, einem Klostergarten aus alten Plänen nachempfunden, einen über tausend Jahre alten Brunnen um gibt.
  • 1231
    Der Stauffenkaiser Friedrich II. erläßt die `Costitutiones` das „erste Gesetz zum Gesundheitswesen“. U.a. wird hier die Trennung der Berufe des Arztes und des Apothekers festgelegt. Erstmals werden Heilpflanzen in einem gesetzlichen Arzneibuch beschrieben. Die Infotafel geht auf die historische Bedeutung der `Constitutiones`für das Bild der modernen Heilberufe ein. Bedeutung und Aufgabe der heutigen Apotheke in Bezug auf Qualität und Sicherheit pflanzlicher Arzneimittelwerden dargestellt. Anhand von Pflanzenbeispielen wird auf die Kompezenz der Apothekerinnen und Apotheker in Bezug auf Qualitätssiche rung und Beratung bei Pflanzlichen Arzneimitteln eingegangen.
  • 15. – 17. Jh.
    Nach Erfindung der Druckkunst erscheinen verschiedene bebilderte `Kräuterbücher`, die das Wissen über die Pflanzenheilkunde erstmals wohlhabenden bürgerlichen Schichten zugänglich machen. Wichtige Werke dieser Zeit stammen von Hieronymus Bock, Adamus Lonicerus, Tabernaemotanus und dem Apotheker Besler. Repliken aus berühmten Kräuterbüchern werden und ihre Entstehung beschrieben. Die Nutzung der alten Kräuterbücher für die Entwicklung und Zulassung neuer pflanzlicher Arzneimittel wird vorgestellt. Historische Abbildungen und lebende Pflanzen werden gegenübergestellt.
  • 1493 – 1541
    „Alle ding sind gift und nichts on gift; allein die dosis macht`, das ein ding kein gift ist.“ Dies ist ein bekannter Ausspruch des Arztes Parazelsus. der sich naturwissenschaftlich philosophisch mit der Wirkung der Arzneien auseinandersetzt. Anhand von einfachen Beispielen (Tollkirsche und Fingerhut) wird die Bedeutung der Dosis für die Wirkung von Arzneimitteln erklärt. Die Signaturenlehre des Paracelsus wird beschrieben . Wichtige Pflanzenbeispiele aus der Signaturenlehre: Welche Wirkungen lassen sich mit wissenschaftlichen Methoden nachvollziehen, welche nicht?
  • 1610
    Gründung des berühmten Botanischen Gartens in Leiden Der berühmte Garten in Leiden wird anhand einer historischen Zeichnung vorgestellt. Pflanzen, die in Leiden zu sehen sind und waren, werden in einem Beet gezeigt, welches dem `Hortus bontanicus` nachemfunden ist.
  • 1674
    Antonie van Leeuwenhoek erfindet das Mikroskop. Botanische Feinsruckturen werden sichtbar. Die Bedeutung des Mikroskops für die Botanik, für Erkennung und Unterscheidung der Arzneipflanzen als Voraussetzung der Qualitätssicherung bei pflanzlichen Arzneimitteln wird dargestellt. Mikroskopische Bilder pflanzlicher Organe sowie die zugehörigen lebenden Pflanzen werden gegenübergestellt.
  • 1707 – 1778
    Karl von Linne`begründet die botanische Systematik Die heute in Teilen noch gültige Pflanzensystematik des Karl von Linne` und ihre Bedeutung für das Erkennen von Pflanzen auch durch Laien wird erläutert. Am Beispiel einer prominenten Pflanzenfamilie (z.B. Lippenblütler) wird, durch bekannte Arzneipflanzen untermauert, die Einteilung in Klassen, Unterklassen, Familien, Gattungen, Arten und Unterarten erklärt.
  • 1755 – 1843
    Begründung der Homöopathie als Heilmethode durch Samuel Hahnemann. Das Wirkprinzip der Homöopathie, Ihre Abgrenzung von der Phytotherapie sowie ihre Bedeutung im heutigen Gesundheitswesen werden erläutert. Wichtige, homöopathisch verwendete Arzneipflanzen werden vorgestellt und ihre Wirkungen beschrieben.
  • 1803
    Isolierung des Alkaloids Mophin aus dem Opium durch den Apotheker Sertürner. Mit der raschen Entwicklung der organischen Chemie werden seitdem unzählige chemische Verbindungen aus Pflanzen isoliert, die u.a. Vorbilder für syntetische Arzneistoffe darstellen. Die Bedeutung von Naturstoffen für die Entwichlung neuer Arzneimittel und für die Erforschung von Arzneimittelwirkungen werden leicht verständlich erklärt. Arzneipflanzen, aus denen wichtige Naturstoffe isoliert wurden, werden gezeigt und beschrieben.
  • seit ca 1990
    „Screeningprogramme“ der pharmazeutischen Industrie, mit deren Hilfe bisher unbekannte Pflanzen der bedrohten tropischen Regenwälder auf wirksame Inhaltstoffe untersucht werden.
  • Heute
    Moderne Arzneipflanzenforschung für rationale Phytopharmaka Moderne Infotafeln berichten anhand ausgewählter Beispiele über Themenbereiche der modernen Phytotherapie: Arzneipflanzenzucht, kontrollierter Arzneipflanzenanbau, Ernte – und Extraktionsverfahren, Forschung und Entwicklung, Wirkung, Qualitätssicherung. Die Themengebiete können am Beispiel von Präparaten marktführender, forschender sowie apothekenexklusiv vertreibender Phytopharmakahersteller erläutert werden. Hier besteht die Möglichkeit, ein seriöses Sponsoring zur Teilfinanzierung des Gartens zu organisieren. Zur Situation `Moderne Arzneimittelforschung`werden selbstverständlich die zugehörigen Arzneipflanzen gezeugt.

    Nach der Idee des Weseker Heimatvereins und den vorgenannten Zielen, begleitet Herr Prof. Dr. Schenk, der in Münster Tilbeck ein Wissenschaftliches Institut für moderne Phytotherapie betreibt, das ganze Projekt wissenschaftlich und der Pharmazeut, Herr Manfred Duensing aus Borken-Gemen, begleitet es im Rahmen der Ernährungsberatung, Gesundheitsseminare u.a. in Verbindung mit diesem Apothekergarten, der Holtbachquelle, der Kneipp`schen Wassertretanlage und dem Kräuterbrot- bzw. Kuchen aus dem steinernen Backofen.

    Josef Benning