Als die Niederlande Weltmacht waren und Weseke noch dem Münsteraner Fürstbischof untertan
Frank Geradts aus Drachten in den Niederlanden hat sich intensiv mit der Geschichte Wesekes beschäftigt, weil einer seiner Vorväter 1775 das Dorf verlassen hatte, um in Amsterdam sein Glück zu suchen.
Wir wissen zwar nicht, ob es Joan Hermann Joseph Geradts aus Weseke dort auch fand und was aus ihm geworden ist, aber sein Ziel Amsterdam hatte er wohl nicht zufällig ausgewählt.
Im vorausgegangenen Jahrhundert beherrschten die Niederlande den Welthandel, hatten die größte Handelsflotte und erwarben durch Geschäfte mit ihren Kolonien immensen Reichtum.
Amsterdam war das damalige Zentrum der Finanzwelt und auch der Warenumschlag an der Warenbörse unterstrich die herausgehobene Stellung der vereinigten Provinzen in der Welt des 17. Jh. Es waren die Jahrzehnte, die als Goldenes Zeitalter der niederländischen Geschichte bezeichnet werden, das auch im folgenden Jahrhundert noch genügend Anreiz für Glücksucher aus ärmlicheren Bereichen Europas war, die eigene Heimat zu verlassen.
Über einen anderen Weseker, der 50 Jahre vor Frank Geradts Vorfahr ebenfalls nach Amsterdam gegangen war, hat er genaueres zu erzählen, und zwar über:
Antonius Dücking wurde am 3.11.1694 in Weseke als Sohn der Eheleute Johan Dücking (Weber) und Christina Kosters als 5. von insgesamt 8 Kindern geboren. Nach dem Tod von Christina Kosters im Jahr 1702 heiratete Johan Dücking im Jahr 1703 Maria Thomas, mit der er drei weitere Kinder, einen Sohn und zwei Töchter, zeugte. Antonius hatte demnach einen Halbbruder und zwei Halbschwestern. Antonius hatte anscheinend um 1727 die Idee, sein Glück außerhalb von Weseke zu suchen, was dazu führte, dass er sich in Amsterdam der niederländischen Ostindien-Kompanie (VOC) anschloss.
Aufgrund der hohen Sterblichkeit der Seeleute der VOC (mit einer Flotte von 1772 Schiffen) stieg die Zahl der Seeleute, Soldaten und Handwerker, die jedes Jahr rekrutiert werden mussten, auf 8.000. Im Laufe des Jahres 1700 gab es daher feste Einstellungstage, an denen sich Arbeitssuchende in Amsterdam registrieren konnten. Diese Rekrutierungstage lockten viele In-und Ausländer in die Stadt, was zur Gründung von Kneipen, Pensionen und Bordellen führte. Wenn jemand auf den ersten Blick gesund war, erhielt er bereits ohne weitere Untersuchungen einen zweimonatigen Gehaltsvorschuss. Die Besitzer der Pensionen nutzten den Zustrom von Seeleuten gut aus und ließen Männer in ihren Unterkünften verbleiben, was dazu führte, dass sie sich noch vor ihrer Abreise hoch verschuldeten. Mit den auf dem VOC-Schiff verdienten Gehältern mussten sie zunächst ihre Schulden bei den Eigentümern der Pensionen bezahlen. Aus diesem Grund bezeichnete man sie auch „Seelenverkäufer“.
Im VOC-Dokument wird „Anthonij Duijcking aus Weseke im Münsterland“ als 2. Gefreiter des Schiffs Nieuwvliet erwähnt. Die Nieuwvliet, erbaut im Jahr 1719, hatte eine Länge von 40 Metern und eine Nutzlast von 650 Tonnen mit einer Besatzung von circa 150 Mann. Es handelte sich hierbei um eine sogenannte Fleute (altertümlich auchFluite, Fluyt, genannt, ein dreimastiges Handelsschiff mit großer Ladefähigkeit und geringem Tiefgang). Die Soldaten schliefen in kleinen, niedrigen Räumen auf mit Stroh gefüllten Säcken oder in Hängematten und wurden hauptsächlich deshalb mitgenommen, damit sie im Ankunftsland oder im Falle von Piratenhut oder sogar bei Meuterei das Schiff verteidigen konnten.
Antonius verließ Goeree (Niederlande) mit der Nieuwvliet am Neujahrstag, dem 1.1.1728, im Alter von 33 Jahren und reiste über das Kap der Guten Hoffnung und Ceylon (Sri Lanka) nach Batavia (heutzutage Jakarta, Indonesien) und kam am 21.7.1730 nach einer Reise von fast 2 Jahren und 7 Monaten wieder in Middelburg (Niederlande) an. Die Ladung bestand hauptsächlich aus Gewürzen, Kaffee, Tee, Tabak, tropischen Hölzern, Silber und Gold. In 1730 beschloss die VOC, auch nach China zu reisen, woraufhin die Nieuwvliet auf diese Reise vorbereitet wurde, um am 11.12.1730 nach Kanton in China zu segeln, wo sie am 20.3.1731 ankam. Nach einem langen Zeitraum von 8 Monaten in Kanton segelte Antonius auf der Nieuwvliet mit einer Ladung, die hauptsächlich aus Porzellan bestand, zurück nach Middelburg. Danach unternahm er noch zwei weitere Reisen, am 18.12.1732 und am 18.1.1734 nach Kanton in China. Auf der Rückreise dieser letzten Reise verstarb Antonius am 10.6.1734, zwei Monate vor seiner Ankunft in Middelburg, im Alter von 40 Jahren. Im VOC-Dokument steht „in Asien“, das bedeutet, dass er mitten auf der Rückreise das (damals übliche) Seemannsgrab erhalten hat.
Die Löhne der VOC-Schiffe wurden immer am Ende der Reise bezahlt. Antonius Dücking erhielt für die Reise bis zu seinem Tod 433 Gulden, umgerechnet wären das heute etwa 5.100 €. Dieser Betrag wurde folglich an seine (noch lebenden) Erben, seine drei Schwestern Johanna, Maria, Christina und die Brüder Gerrit und Jan, sowie seine Halbschwester Margaretha und seinen Neffen Jan (Sohn des Halbbruders Herman) am 13.1.1736 im VOC-Gebäude in Rotterdam an der Grote Draaisteeg ausgezahlt.
Halbschwester Margaretha Dücking wird im Status Animarum von 1721 als 11-jährige Dienstmagd der Familie Joan Berndt Marquers und im Status Animarum von 1749 als einzige in Weseke mit dem Familiennamen Dücking erwähnt. Sie wohnte seinerzeit im Haus „Johannes Dücking“. Dort war sie eine unverheiratete Frau, die zusammen mit zwei Familien, Hesselhues und Issing, mit der Dienstmagd Maria Agnes Meijs (13 Jahre) lebte und ist in Weseke verheiratet am 25.2.1752 mit Johannes Henricus Benning. Danach wurde von den beiden anderen Familien Dücking (Gert Dücking und Margaretha Printinck, Herman Dücking und Elisabeth Hillers), die sich um 1660 in Weseke niederließen, nichts mehr in den Büchern erwähnt, außer von Tochter Gesina (1665) von Gert und Margaretha, die am 7. April 1693 den Sexton Joan Beijerink heiratete. Das „Dücking Hausz und Garten“ ist jedoch auf einer Karte von 1796 verzeichnet im Zusammenhang mit einer„grosse Gosse welche u.a. durch Küster Beijering, Bernd Henrich Leefting, Bernard Heindrich Everding und die Erben Dücking im Stande gehalten werden muss“. Das Haus Dücking scheint sich an der heutigen Ecke Hauptstraße-Benningsweg gegenüber dem Gasthof Enning befunden zu haben.