Musik und Tanz im Weseke des 18. Jahrhunderts

In den Heimatblättern 73 und 74 haben wir von Frank Geradts und seinem Bruder Dr. Jacob Gestman Geradts über Weseker Wirtshäuser, Gastwirtsfamilien und auch einiges über den Alkoholkonsum im Dorf vor 250 Jahren erfahren. Aber das Dorfleben bot auch damals schon weitere Möglichkeiten, den harten Alltag zu bestimmten Anlässen zumindest für eine Weile in den Hintergrund treten zu lassen. Religiöse, kulturelle oder familiäre Feste haben bis heute eine wichtige Funktion in der Gesellschaft, prägen sie doch die Jahresstruktur, bringen Abwechslung und werden von vielen immer noch als wesentlich und wertvoll wahrgenommen.
Die Neue Zürcher Zeitung wurde 2019 gefragt, wer das Motto „Wein, Weib und Gesang“ erfunden habe und gibt die Antwort, der deutsche Dichter Johann Heinrich Voss (1751 – 1826) sei der Erfinder des Spruches „Wer nicht liebt Wein, Weib, Gesang, der bleibt ein Narr sein Leben lang.“ Diese „Drillingsformel“ als Motto, einen bestimmten Lebensstil zu beschreiben, hat Johann Strauss (Sohn) 1869 für die Komposition eines Walzers genutzt, womit sich zum Alkoholgenuss die Musik gesellt und damit wären wir dann auch gleich beim Tanz. Hier können wir den Bundeskanzler Helmut Kohl zitieren, von dem die Aussage überliefert ist „Ich tanze, um dem Weibe näherzukommen.“ Er tanzte zu offiziellen Anlässen oft und gerne und äußerte zur Begründung seines engen Tanzstils den oben genannten Satz.
Bevor die Brüder Geradts über Musik und Tanz in Weseke berichten noch ein letztes Zitat aus der Rubrik „Wissen“ des Südwestrundfunks: „ … Dass wir uns zu Rhythmen, mit denen wir beschallt werden, passend bewegen – das ist etwas zutiefst Menschliches: Kein Tier macht das!“ Ehrlicherweise muss mancher beim Tanzen aber auch feststellen, dass es mit den passenden Bewegungen zur entsprechenden Beschallung „tierisch“ schief gehen kann.  15.1

Tanz nach der Fiedel, lupf den Fusz und tanz

Ein Fest ohne Musik ist kaum vorstellbar, es muss in früheren Tagen in Weseke auch so gewesen sein. Leider sind die Informationen darüber knapp. Ein Beweis dafür findet sich im Status Animarum (Seelenzählung) von 1662. Es handelte sich um einen gewissen Frederich Pasches (30 Jahre), der zusammen mit seiner Frau Cathrine (32 Jahre) und ihrem Sohn Gert (2 Jahre) Bewohner des Hofes Bernt Pasch waren. Frederich wurde 1662 als Fidicen (Spielmann/Spöllmann) bezeichnet und verlieh den Festen mit seinem Geigenspiel den nötigen Schwung, da die Geige zu dieser Zeit das gängigste Instrument war. Wir wissen, dass die gespielte Tanzmusik einfach war und kurze Melodien hatte, die oft wiederholt wurden. Bei einer Hochzeitsfeier begannen einige Gäste nach dem Genuss von Bier und Branntwein rasch zu singen und Darbietungen zu präsentieren. Das Fest war unvollständig, wenn nicht getanzt wurde, insbesondere beim traditionellen Tanz „Schütteln dien Höhlen“, bei dem den Spielleuten eine bedeutende Rolle zukam. Besonders wenn auf Anfrage ein „Hopsa“ gespielt wurde, wurden die Spielleute gut belohnt mit „en Nickelgrosken för den Pott“. Der Spielmann spielte regelmäßig auf seiner Geige hinter dem Steg, und auf diesen hohen Tönen rief er dann, dass die Tanzpartner gewechselt werden mussten. Eine gute Gelegenheit für junge Freier, um in Kontakt zu treten mit einem zukünftigen Partner. „Denn ohne Musik kann das Mädel sich nicht drehn“.

Friedrich Wilhelm Hirt: Bauern beim Tanz

Im Status Animarum von 1749 finden wir keine Spielleute, obwohl sie zweifellos vorhanden waren, jedoch wurde dies nicht dokumentiert. In einem Dokument aus dem Jahr 1787 von Franz Anton Rorer, dem Oberamtsdirektor der Herrschaft Gemen, im NRW-Archiv *) finden wir einen gewissen Jan Herman Topp als Geiger in Weseke.

 

Rorer Mria = Rorer „manu propria“ also „eigenhändig unterzeichnet

Trotz mehrerer Namensvetter aus dieser Zeit kann mit einiger Sicherheit angenommen werden, dass es sich um Joes Hermannus Topp handelte, der 1749 im Alter von 28 Jahren Organista (Organist) in Weseke war und 1787 mit seiner Geige „en Nickelgrosken“ dazuverdiente. Dies war damals keineswegs ungewöhnlich und sicherlich nicht unüblich. Oftmals gab ein Organist auch Musikunterricht an Schüler und unterrichtete sie in Musikinstrumenten, was zu dieser Zeit normale ergänzende musikalische Tätigkeiten waren. Das Spielen bei Hochzeiten und Umzügen war eine ziemlich bedeutende lokale Beschäftigung, bei der man nicht auf die Musik eines Spielmannes verzichten konnte.

Music Verpachtung im Dorff und Kirspel Wesecke, auch Baurschafft Wirthe

In dem erwähnten NRW-Dokument steht, dass es ab 1787 nicht mehr gestattet war, in Weseke und in der Bauernschaft Wirthe frei Musik zu machen. Am Donnerstag, dem 27. Oktober 1787, wurde eine öffentliche Verpachtung zum Musizieren veröffentlicht, an der mehrere Interessenten teilgenommen und Gebote abgegeben hatten. Es handelte sich um die Verpachtung, unter bestimmten Bedingungen, des Musizierens und Geigenspielens in Weseke und der Bauernschaft Wirthe. Diese Verpachtung wurde zuvor in Borken, Weseke und Gemen bekannt gemacht.

Die Bedingungen lauteten wie folgt:
1. Das Musizieren und Geigenspielen galt für das Dorf und Kirchspiel Weseke sowie die Bauernschaft Wirthe für eine Dauer von 3 Jahren;
2. Die erste Zahlung des sogenannten „Markgeldes“ musste spätestens am Michaelistag (29. September) 1788 erfolgen;
3. Gebote unter 15 Stüber waren nicht zulässig;
4. Falls der Landesherr das Musizieren vorübergehend untersagen sollte („aus landesherrlichem Befehl“), wurde eine Ermäßigung des Markgeldes auf Basis der unspielbaren Monate gewährt.

Die Pachtsumme wurde auf 3 Reichstaler Markgeld pro Jahr festgesetzt, wozu Joes Hermannus Topp noch zusätzlich 30 Stüber beitrug. Dieses Gebot wurde von niemand anderem erhöht, sodass er für drei Jahre das Recht hatte, in Weseke Geige zu spielen. Auch „Die Viole in der Bauernschaft Wirthe“ wurde auf 3 Reichstaler festgesetzt, jedoch bot Ferdinand Spindel aus Gemen schließlich als Höchstbietender 15 Reichstaler und 30 Stüber dafür. Offensichtlich war das Spielen in Wirthe lukrativer als in Weseke, wenn man bedenkt, dass das Fünffache im Vergleich zu Weseke gezahlt wurde. Joes Hermannus Topp hat nach diesen drei Jahren die Pacht um weitere drei Jahre verlängert, wofür er jährlich 4 Reichstaler Markgeld entrichten musste.

Es ist nicht klar, warum die Verpachtung eingeführt wurde. War es, um ein „wildes Wachstum“ von Musikern zu verhindern, die Qualität der Musik im Dorf zu verbessern oder handelte es sich um (erneute) Formen der Steuererhebung? In Stadtlohn zum Beispiel wurden die Wegezolleinnahmen an den Stadttoren und auch der städtische Ziegelofen verpachtet. Es war eine Möglichkeit für die Stadt, ohne großen Verwaltungsaufwand an einige Einnahmen zu kommen.

Zu guter Letzt haben die Spielleute auch einige Sprichwörter hinterlassen:
– Well de Mussik bestellt, mott de Mussikanten betahlen
– Daor ha ik kinn Spöllmann bi nöödig
– Ieder Spöllmann heff sien eggen Döönken
– De speelman zit (bei ihnen) nog op het dak.
(Alte niederländische Redensart
über frisch verheiratete Paare in den Flitterwochen)

Mit Dank für die Beiträge von:
Dr. Jacob Gestman Geradts und Ulrich Söbbing (Gemeindearchiv Südlohn)

*) Verpachtung der Musik oder Violine in Weseke und Wirthe
Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen Akten Nr. 32607

10 Jahre Plattdeutscher Stammtisch
Streuobstwiese und Biotope winterfest machen